37 Grad – Schatten im Gleis. Wenn Lokführer sich schuldig fühlen
Dokumentation | Okt. 2020
Über den Film
Sören ist erst seit einem Jahr Lokführer, als er einen tödlichen Personenunfall erlebt. An einem Dezembernachmittag steht plötzlich ein Mädchen mitten im Gleis. Sören leitet die Bremsung ein, betätigt das Signalhorn – doch vergeblich. Der 35-jährige Lokführer kann nur noch die Augen schließen und auf den Knall warten. Er hat einen Menschen überfahren und fortan plagt ihn die Frage: Bin ich schuld an ihrem Tod?
Jedes Jahr nehmen sich ungefähr 700 Menschen auf deutschen Schienen das Leben. Statistisch gesehen macht jeder Lokführer ein bis zwei Mal in seinem Berufsleben diese schreckliche Erfahrung. Manche können danach nie wieder auf eine Lok steigen und müssen ihren Beruf aufgeben. Andere erleiden eine posttraumatische Belastungsstörung. Doch wohl jeder erlebt so einen Unfall als extreme psychische Belastung.
Wolfgang ist seit 30 Jahren Lokführer. In diesem Zeitraum wurde er bereits fünf Mal mit Schienensuiziden konfrontiert. Fünf Mal versucht er, den seelischen Belastungen standzuhalten, doch dann gerät auch er in eine Spirale aus Schuldgefühlen und Selbstzweifeln. Seine Kollegen und Freunde beobachten, dass Wolfgang sich immer mehr in sein Schneckenhaus zurückzieht. Wolfgang versucht alles, um die belastenden Bilder in seinem Kopf wieder loszuwerden. Schließlich muss er sich in eine psychosomatische Fachklinik am Chiemsee begeben.
Rund 30.000 Lokführer gibt es im deutschen Eisenbahnnetz. 30.000 Menschen, denen bei jeder Fahrt die Angst im Nacken sitzt, dass plötzlich ein Mensch im Gleis stehen könnte. 30.000 Lokführer über deren schlimmste Ängste in unserer Gesellschaft viel zu wenig gesprochen wird. Der Schienensuizid ist offensichtlich ein Tabuthema. Vor allem in den Medien soll nicht berichtet werden, aus Angst vor Nachahmern. Doch damit wird auch die Belastung der betroffenen Lokführer verschwiegen.
Es ist höchste Zeit, dass diese ZDF 37°-Dokumentation den vielen leidtragenden Lokführern endlich eine Stimme gibt.
Team
BUCH & REGIE – Katja Aischmann, Volker Schmidt-Sondermann
KAMERA – Thomas Beckmann
TON – Karsten Gerlach
SCHNITT – Igor Mariniuk, Sebastian Scholz
SPRECHER – Götz Bielefeldt
PRODUZENT – Volker Schmidt-Sondermann
PRODUKTION – Christina Baacke (Tellux), Christian Stachel (ZDF)
REDAKTION – Marina Fuhr
Eine Produktion der Tellux Dresden im Auftrag des ZDF
28 Min. | Erstausstrahlung im ZDF: 27. Oktober 2020